Westfalen AG - Neubau für eiskalte Spezialisten
Im November 2020 nahm das neue Logistik- und Fuhrparkzentrum der Westfalen AG in Hörstel seinen Betrieb auf. Generalunternehmer Borgers sah sich mit ganz besonderen Anforderungen konfrontiert, setzte diese jedoch gekonnt und routiniert um.
Auf den ersten Blick wirkt das neue Logistik- und Fuhrparkzentrum der Westfalen AG mit Nutzfahrzeugwerkstatt und Verwaltungstrakt wie eine normale Lkw-Werkstatt. Wie von Generalunternehmer Borgers gewohnt, zeigt sich der Baukörper modern und klar gegliedert, mit vier Lkw-Spuren in der Werkstatt und einem angegliederten, zweistöckigen Verwaltungstrakt, der zugegebenermaßen etwas größer ausfällt als üblich. „Vom Prinzip unterscheidet sich der Baukörper kaum von anderen Werkstätten, die wir in der Vergangenheit erstellt haben“, erklärt Pascal Gewing von Borgers, der für die Projektierung des Neubaus verantwortlich war, „es waren vielmehr die Spezialisierungen, die uns die Westfalen AG als Bauherr vorgab und die wir in unserer Planung umsetzen mussten. Die spezielle Einrichtung der Werkstatt war für uns die Besonderheit bei diesem Objekt“. Der Grund für die vielen „Spezialitäten“ liegt in der Ausrichtung der Werkstatt, die sich deutlich von herkömmlichen Werkstätten unterscheidet. Der Betrieb ist Anlaufstelle ausschließlich für die hauseigene Flotte der rund 100 Tankfahrzeuge, die deutschlandweit Industriekunden mit technischen Gasen versorgen. Im Fokus stehen dabei die Auflieger und die installierte Verfahrenstechnik zum Be- und Abtanken sowie den sicheren Betrieb, typische Wartungsarbeiten an den Zugmaschinen überlässt man dagegen den Vertragwerkstätten der Hersteller. „Wir sind Spezialisten für verfahrenstechnische Maßnahmen im Bereich der Kryotechnik. Unsere Mechatroniker verfügen alle über eine Zusatzausbildung und haben viel Erfahrung im Umgang mit den tiefkalten Temperaturen mit denen wir täglich zu tun haben“, so Werkstattleiter Stephan Benger. Gerhard Tenk, Leiter Instandhaltung und Fuhrparktechnik bei der Westfalen AG, ergänzt: „Das Thema Sicherheit wird bei der Westfalen AG immer großgeschrieben, weil wir überwiegend mit Gefahrstoffen hantieren“. Schließlich erreichen die verflüssigten Gase Temperaturen bis minus 260° Celsius, sind brennbar oder erstickend.
Qualität hat überzeugt
Der Entschluss für einen Neubau fiel aus zwei Gründen. Zum einen wurde es in der bisherigen Werkstatt im Werk 2 in Münster aus dem Jahre 1956 zu eng, eine Erweiterung war dort nicht möglich. Zum anderen ist es für die Werkstatt wichtig, direkt bei den Fahrzeugen zu sein. Bislang mussten die Fahrzeuge zwischen dem Betankungsterminal der benachbarten Produktionsstätte mit Luftzerlegungsanlage in Hörstel und der Werkstatt in Münster pendeln. Eine neue Lösung in unmittelbarer Nähe war also naheliegend, zumal das Grundstück bereits in Besitz der Westfalen AG war. „Für den Neubau standen mehrere Anbieter zur Auswahl. Einige Werkstattausrüster nannten uns Referenzobjekte von Borgers, die wir auch besichtigt haben. Schließlich hat uns die Qualität der Bauausführung überzeugt“, begründet Gerhard Tenk die Entscheidung für Borgers. „Über die normale Schiene der Architekten-Planung gibt es eine Vielzahl an Schnittstellen zu den verschiedenen Gewerken. In einem Fall wie hier sind die Koordination und ein reibungsloses Zusammenspiel jedoch sehr wichtig und das können wir als Generalunternehmer leisten. Wir stehen als ein Ansprechpartner zur Verfügung und tragen auch alleine die Verantwortung, das macht die Abläufe wesentlich einfacher“, ergänzt Pascal Gewing von Borgers. Das kann Gerhard Tenk nur bestätigen: „Da wir mit Borgers nur einen Ansprechpartner hatten, gab es auch keine Informationsverluste. Außerdem war die Bauzeit mit knapp einem Jahr, wohlgemerkt unter Corona-Bedingungen, sehr kurz. Das Zusammenspiel zwischen Baufirma, Werkstattausrüstern und der Firma für die Außenanlage hat reibungslos funktioniert“. Auch Maximilian Pohl, Bauleiter auf Seiten der Westfalen AG, sowie Laurent Wauters-Herlyn, Projektverantwortlicher der Westfalen AG, betonen die reibungslose Zusammenarbeit. „Im Großen und Ganzen, nach Fertigstellung des Gebäudes, kann ich zurückblickend sagen, dass die Strukturierung und der Ablauf der Bauphase, auch dank der überaus guten Kommunikation aller Beteiligten, sehr positiv in Erinnerung bleiben werden“, resümiert Pohl. Laurent Wauters-Herlyn ergänzt: „Die Kommunikation im gesamten Projekt lief in der Bauphase gebündelt über den zuständigen Bauleiter Matthias Nienhaus von Borgers. Die Kommunikation war stets offen, klar und auf Augenhöhe. Das Projekt hat wirklich Spaß gemacht“.
Sicherheit hat Vorrang
Die lichtdurchflutete Werkstatt verfügt über vier Bahnen, die mit überbreiten Rolltoren sowohl auf der Ein- als auch Ausfahrtseite versehen sind. So sind sie einfach zu befahren und ohne Rangieren wieder zu verlassen, was das Unfallrisiko minimiert. Die Bahnen 1 und 2 verfügen über je 22 Meter lange Gruben, wovon die erste als Prüfstraße mit Bremsenprüfstand, Gelenkspieltester und Scheinwerfereinstellplatz fungiert, die zweite für Wartungsarbeiten vorgesehen ist. Beide Gruben sind mit ausziehbaren und überfahrbaren Alu-Jalousien verschließbar, so das Mensch und Maschine vor Abstürzen gesichert sind, wenn sie gerade nicht genutzt werden. „Die Mehrkosten dafür hielten sich absolut im Rahmen, der Sicherheitsgewinn hingegen ist unbezahlbar“, argumentiert Gerhard Tenk, „außerdem kann so von unten und oben gleichzeitig am Fahrzeug gearbeitet werden“.
Laurent Wauters-Herlyn fügt hinzu: „Beide Gruben sind mit einer Absaugung ausgestattet. Die Absaugung wird bei Einschalten der Grube gestartet. Erst nach einer Laufzeit von einer Minute ist es möglich die Abdeckung zu öffnen. Diese Maßnahme schützt den Mitarbeiter davor, in eine Grube zu steigen in der sich Inertgase abgesetzt haben könnten. Die mögliche Folge wäre ein Ersticken des Mitarbeiters in der Grube. Aus diesem Grund sind die Gruben mit einer Absaugung in der Gesamtlänge ausgestattet. Die Anschlüsse der Gruben zum Lüftungsgerät sind in der Leerrohrplanung von Borgers mitberücksichtigt worden. Auch hier gab es eine reibungslose Abwicklung.
Eine Lösung mit Hebebühnen wäre außerdem mit der behördlich erlaubten Traufhöhe kollidiert. Der Einbau der Gruben ging laut Tenk überraschend schnell: „Borgers hatte die Fundamente vorbereitet, die monolithischen Fertigteile wurden mit dem Kran eingesetzt und nach einer Stunde war alles vorbei. Rund um die Gruben wurde Beton aufgefüllt, damit sie nicht aufschwimmen können. Das war saubere Arbeit von Borgers, man konnte von da aus sofort weiterbauen“. Die beiden anderen Bahnen werden für die Instandhaltung der Trailer, Reifenservice und Arbeiten an der Zugmaschine genutzt.
Heizung nicht nur für die Füße
Weitere Besonderheit war der Einbau von Gas-Entlüftungsrohren, um eventuelle Gasreste im Tankwagen kontrolliert nach draußen zu führen. Für sicheres Arbeiten auf dem Tankwagen verlangte die Westfalen AG darüber hinaus eine Absturzsicherung. „Eine Absturzsicherung ist für uns eigentlich nichts Neues. Wir kannten das aber bisher nur vom Dachbereich, hier musste sie jedoch innen angebracht werden, was eine spezielle Unterkonstruktion erforderlich machte“, schildert Pascal Gewing eine weitere Besonderheit. Die 650 Quadratmeter große Werkstatt ist außerdem mit einer Fußbodenheizung ausgestattet, die über eine Fernwärmeleitung aus der benachbarten Produktionsstätte mit deren Abwärme betrieben wird. Auch hier spielt die Arbeitssicherheit eine Rolle, denn damit soll ein Feuchtigkeitseintrag durch die Fahrzeuge schnellstmöglich verdunsten. Zusätzlich sorgt sie in Verbindung mit einer Wärmepumpe für einen positiven Energienachweis. Diese versorgt auch den Verwaltungstrakt mit Wärme, der im Untergeschoss die Sozialräume für Mitarbeiter und Fahrer beherbergt, während im ersten Stock die Disposition untergebracht ist. Strategisch günstig ist schließlich der Bereich der Werkstattleitung, Teile- und Hochregallager zwischen der Verwaltung und der Werkstatt platziert. Die Planung von Borgers lässt außerdem bei Bedarf problemlos eine Erweiterung der Außenflächen als auch des Baukörpers zu und zeigt sich damit ebenso weitsichtig wie die statische Vorbereitung des Daches für eine problemlose Nachrüstung einer Photovoltaikanlage. Laurent Wauters-Herlyn abschließend: „Mit dem neuen Logistik- und Fuhrparkzentrum (LFC) bündeln wir unsere Kompetenz „Disposition“ und „NFZ-Werkstatt“ an einem Standort. Das macht die Planung der Ausfälle unserer Fahrzeuge für Prüfungen und Wartungen einfacher. Des Weiteren wird die Nähe zur Luftzerlegungsanlage, welche sich gegenüber des LFC befindet, Wegzeiten einsparen, denn die Bulkfahrzeuge haben ihren neuen Standort am LFC gefunden“. Westfalen-Bauleiter Maximilian Pohl fasst das Ergebnis des Projekts zusammen: „Das Gebäude lässt sich sehen, alles Weitere, denke ich, kann nach so kurzer Zeit noch nicht bewertet werden. Grundsätzlich gibt und gab es aber weder an der Qualität, noch an der Ausführung etwas zu beanstanden“.
Kennzahlen
Westfalen AG
Logistik- und Fuhrparkzentrum
48477 Hörstel NRW
Grundstücksgröße: ca. 22.500 qm
Grundfläche: ca. 11.650 qm
Bebaute Fläche: ca. 1410 qm
Erdgeschoss: ca. 1.144 qm
davon Werkstatt: 650 qm
Obergeschoss: ca. 422 qm
Mitarbeiter Werkstatt: 8 (inkl. 2 Meister, 1 Azubi)
Mechanische Arbeitsplätze: 6
Werkstattdurchgänge/Tag: 5 bis 20